Land & Folklore

Auszug aus dem Krimi „Im Zeichen der Zwillinge“

…Nebenan hörten sie Stimmen, Jonas läutete, ein gut aussehender Mann um die Fünfzig kam zum Tor. Jonas stellte Clara und sich vor, und Clara erläuterte, was sich in Deutschland mit Joe Moser zugetragen hatte. Jonas wollte wissen, ob das Haus seit dem 12. August bewohnt war.
Der Nachbar war sichtlich erschrocken und bestürzt über die Nachricht.
»C’est bizarre«, wiederholte er immer wieder.
Vor einigen Tagen hatte er bemerkt, dass die Fensterläden und einige Fenster offen standen. Auch den schwarzen Kater mit der auffälligen weißen Raute am Hals, den Joe immer mit nach St. Remy nahm, hatte er mehrmals im Garten gesehen. Einmal hatte er bemerkt, wie ein Mann hinter der Haustür verschwand. Er nahm an, dass das Joe war. Allerdings habe er sich gewundert, dass Joe nicht, wie es sonst seine Art war, zur Begrüßung herüber kam. Ein paar Tage später wäre das Haus dann wieder verrammelt gewesen.
Clara hakte nach und wollte wissen, ob ihm irgendetwas Besonderes aufgefallen sei.
»Ja«, meinte Monsieur Montreau, »am Stellplatz stand ein Golf, nicht wie sonst der Porsche Cayenne«.
Nach einer Weile erinnerte er sich auch, dass er es merkwürdig fand, dass zu der Zeit in einer Seitenstraße ein alter roter BMW mit Elsässer Kennzeichen abgestellt war, den er vorher dort noch nie gesehen hatte. Jonas bedankte sich für die Auskunft und überreichte dem Mann seine Visitenkarte mit der Bitte, ihn zu verständigen, wenn ihm noch mal etwas auffallen sollte…

…Am nächsten Tag kam wieder Urlaubsstimmung auf und die beiden beschlossen, nach Mouriès zum Golfplatz zu wandern, um in der Hostellerie zu Mittag zu essen. Der Weg führte über eine schmale, wenig befahrene Straße durch schattige Pinienwälder. Das unermüdliche Gezirpe der Cigales begleitete die Wanderer.
Nach einer Weile bogen sie in einen staubigen Feldweg ein, der durch leicht hügeliges von Olivenbäumen gesäumtes Gelände führte. An einer Abzweigung folgten sie dem Weg, der parallel zum Bewässerungskanal verlief. Obwohl das Land sehr trocken ist und es von Mai bis September, von wenigen Gewittern abgesehen, hier kaum regnet, herrscht dank des Kanalsystems kein Wassermangel. Der breite Kanal dient den Bauern zur Bewässerung ihrer Felder und Olivenhaine. Im abschüssigen Gelände wird der Kanal zum reißenden Strom. Das starke Gefälle nutzen die Burschen zur abenteuerlichen Rutschbahn.
Auf einer Anhöhe springen sie in den Kanal und lassen sich in rasantem Tempo zur Talsohle befördern. Dort steigen sie aus dem Kanal, laufen wieder nach oben und das Spiel beginnt von vorn. Schon von Weitem war das übermütige Gejohle der jungen Leute zu hören, die in den kühlen Fluten eine Mordsgaudi hatten.
Jonas und Clara folgten nun dem Weg, der in die schmale kurvige Straße zum Golfplatz mündet. Bald schon waren sie an der feudalen Auffahrt angelangt. Die Mitte zwischen den beiden Fahrspuren ziert ein hundert Meter langer Pflanzstreifen von üppig blühendem Lavendel, links und rechts neben den Fahrbahnen wachsen farbenprächtige Oleanderbüsche. Sie überquerten den Parkplatz, auf dem unter Schatten spendenden Laubbäumen die hochkarätigen Fahrzeuge der Golfspieler standen.
Am Clubhaus vorbei führt ein von jahrhundertealten Platanen gesäumter Weg zum Schlosshotel mit Restaurant. Sie überquerten die alte Brücke über den Bach, der am Schlossgarten munter vorbeiplätscherte. Im lauschigen Garten unter den hohen Platanen nahmen sie an einem für zwei Personen gedeckten Tisch Platz. Hier kehrten sie immer wieder gern ein, Qualität und Service stimmten, das Ambiente im Schlossgarten erfreute alle Sinne, der Blick schweifte von den Bäumen zur gepflegten Schlossfassade, alte Steingefäße waren hübsch mit Blumen bepflanzt, in einem Blumentopf hatte sich ein weißes Kätzchen zur Siesta niedergelassen…

 

…»Du Jonas, weißt du noch, wie wir vor ein paar Jahren in Maussane auf dem Fest waren, als die Bewohner, Alt und Jung, allesamt in Gewändern aus vergangenen Jahrhunderten zeigten, wie das Leben hier früher war.«
»Ach ja, jetzt erinnere ich mich wieder. Das war ein tolles Fest. Auf dem Kirchplatz hatten sie verschiedene Situationen dargestellt, da standen alte Schulbänke, auf denen Kinder vor der Lehrerin saßen, es gab da ein Spinnrad, einen Schafstall, Brot wurde gebacken und auf der Straße, wo sonst der Verkehr rollt, fand ein Umzug mit alten Karren und Handwerksgeräten statt.«
»Ja und am Straßenrand saß eine als alte Frau verkleidete Dame an einem altmodischen Schreibpult, auf dem ein Tin-tenfass stand. Auf handgeschöpftem Papier schrieb sie mit einem Federhalter in altmodischer Handschrift Texte in provençalischer Mundart. Weißt du noch, dass ich, als wir im Café am Brunnen saßen, unter einem Vorwand weggegangen bin und für dich einen provençalischen Glückwunsch zu deinem Geburtstag habe aufschreiben lassen?«
»Ja, da war ich ganz schön überrascht, als ich im Oktober einen Glückwunsch aus der Provence bekommen habe. Das hast du raffiniert eingefädelt.«
Nach einem Bierchen für Jonas und einem Glas Weißwein für Clara verließen sie das Café am Brunnen und betraten die gegenüberliegende Apotheke. Der Apotheker hatte ein Apaisylgel empfohlen. Das sei sehr hilfreich gegen Tier- und Pflanzengift. Als Jonas an der Autotür stand, um das Medikament ins Auto zu legen, kam aus der Gegenrichtung der alte rote BMW daher. Jonas erkannte die beiden Männer im Wageninneren. Auch die Männer schienen Jonas wiederzuerkennen und drehten ihre Köpfe in seine Richtung. Der BMW beschleunigte und verschwand...