Türkisches Katerchen 1

Türkisches Katerchen

Jonas und Clara haben die Nase voll vom Winter. Sie sehnen sich nach Sonne, Wärme und Meer. Kurz entschlossen buchen Sie eine Woche Türkei, Belek. Ein Schnäppchen! Inklusive Flug und Luxushotel mit Palmenpark am Strand. Angenehme Temperaturen zwischen 16 und 20 Grad. Nichts wie weg!

Das Flugzeug nimmt Kurs auf Antalya. Ein überwältigender Blick von oben, in der Sonne glitzert das Meer in Blautönen von azur bis tintenblau.

Das gebuchte Hotel übertrifft alle Erwartungen. Freundlicher Empfang mit Prosecco in der blumengeschmückten Lobby. Das Gepäck ist schon zum Zimmer vorausgeeilt. Der Weg dorthin führt durch einen großzügigen Innenhof, üppig bepflanzt mit roten Poinsettien und Grünpflanzen. Geschmackvolle Zimmereinrichtung, Obstschale auf dem Tisch, Terrasse mit Korbmöbeln, umgeben von mediterraner Vegetation, farbenprächtig blühende Bougainvilleen, Oleander, Hibiskus, Zitrus- und Olivenbäume, duftende Lavendel- und Rosmarinsträucher.

Winter ade. Im Urlaub angekommen. Vor dem Abendessen noch schnell einen kurzen Spaziergang durch den Park zum Strand. Glutrot versinkt die Sonne im Meer.

Im eleganten Speisesaal lädt ein fulminantes Buffet zum Dinner ein, verlockende Vorspeisen, eine große Auswahl an warmen Gerichten, verführerische Desserts. Clara ist begeistert: „Wow, der Urlaub fängt richtig gut an!“

Nach dem Essen schlägt Jonas vor: „Ich würd mir jetzt gern die Füße vertreten, lass uns ein paar Schritte durch den Park gehen.“ „Gern, ich wollt sowieso schauen, ob es hier Katzen gibt.“

In den meisten Hotelanlagen in der Türkei leben auf dem Gelände herrenlose Katzen, die sich zur Essenszeit in der Nähe der Eingangstüren des Restaurants herumtreiben, in der Hoffnung, dass sich jemand ihrer erbarmt und ihnen was zu fressen gibt.

„Schau Jonas, da warten drei hungrige Kätzchen. Schade, jetzt hab ich nichts für sie. Morgen bring ich ihnen vom Buffet was mit.“ Als hätten sie das verstanden, näherte sich ein stattlicher roter Kater, gefolgt von einer zierlichen schwarzen Katz und einem grauen Tiger, der sich schüchtern abseits hielt. Der Kater strich Jonas um die Beine und schaute erwartungsvoll zu ihm auf. Neugierig näherte sich die Schwarze. Die zwei Katzenfreunde knüpfen erste Kontakte, Streicheleinheiten werden zugelassen und schnurrend honoriert. Nur der Tiger traute sich nicht. „Miez, Miez“, lockte Clara, dann auf Türkisch, „Kedi, kedi.“ „Mau“, sagte die schwarze Katz, der Rote reckte den Schwanz in die Höh, in sicherer Entfernung spitzte der Tiger die Ohren.

Ein strahlender Sonnentag begrüßt die Urlauber. Das Frühstück wird auf der großen Hotelterrasse serviert. Einige Katzen streichen um die Tische. Der rote Kater von gestern Abend ist auch dabei. Clara steuert einen sonnigen Tisch am Rand der Terrasse an. „Aha,“ sagt Jonas schmunzelnd, „willst wohl Katzen zum Frühstück anlocken.“

Clara, die eher vegetarisch veranlagt ist, hat am Frühstücksbuffet ihren Teller mit Putenschinken vollgeladen. „Kedi, kedi“, ruft sie leise und schneidet den Schinken in katzengerechte Stückchen. Jonas runzelt die Stirn: „Und du? Kriegst du nix zum Frühstück?“ Clara grinst und bestellt beim Ober für sich ein Spiegelei. Verstohlen legt sie ein Scheibchen Schinken unter den Tisch. Sogleich hat der Rote den Braten gerochen und den Schinken verzehrt. Er stupst mit seinem Köpfchen an Claras Bein. Mehr! Jetzt werden auch andere Katzen aufmerksam und versammeln sich neben und unter dem Frühstückstisch. Im Nu ist Claras Teller leer. Jonas betrachtet die Gäste an den Nebentischen. Einige beobachten die Katzenfütterung amüsiert, andere wenden sich indigniert ab.
Der Ober, der Claras Spiegelei serviert, manövriert sich wohlwollend durch die Katzenschar.

Beim Abendessen entscheidet sich Clara für einen Tisch ganz hinten in der Ecke. Jonas kennt seine Frau: „Ein strategisch gewählter Platz! Da fällt es nicht so auf, wenn du für die Katzen sorgst.“ „Hast mich mal wieder durchschaut, Liebster.“ Das Buffet ist ein Eldorado für Miezen. Hier gibt es alles was ein hungriges Katzenherz begehrt, mageres Fleisch, Fisch, feinen Räucherlachs. Clara sorgt für die Samtpfoten und packt Leckerbissen in Papierservietten, die sie in ihrer Tasche verstaut. Die allabendliche Raubtierfütterung mit Streicheleinheiten wird für die Katzenfreunde zum Ritual. Und die Schar der Hungrigen wird mehr und mehr.

Beim Frühstück ist ein Katzenkind aufgetaucht. Winzig klein, getigert, mit weißen Pfotchen, hellem Bäuchlein, erst acht oder neun Wochen alt, ohne Katzenmama, ohne Geschwister, ganz allein auf sich gestellt. Ein schlaues Kerlchen. Hat blitzschnell erkannt, woher das gute Futter kommt. Springt auf Claras Schoß und ist dem begehrten Teller ganz nah. Klar, dass das Kindchen immer den ersten Happen bekommt, die anderen Miezen nehmen es nicht übel, alle werden reichlich bedient. Wenn der Teller leer ist, setzt Clara das Kerlchen auf ihrem Stuhl ab und holt Nachschub. Und schwuppdiwupp sitzt das Katzenkind wieder auf ihrem Schoß. Wenn dann alle satt sind, rollt sich das Kleine auf Claras Schoß ein, schnurrt zufrieden und lässt sich liebkosen. Es ist ein Katerchen, Jonas hat gleich einen Namen für ihn parat: Moritzl.

Auch beim abendlichen Ritual ist Moritzl immer dabei. Den beiden Katzenfreunden ist der Kleine besonders ans Herz gewachsen. In die Katzenschar ist Moritzl gut integriert. Alle sind freundlich zu ihm, sie spielen miteinander, furchtlos wirft er sich auf den Rücken und freut sich des Lebens.

Die sonnigen Tage vergehen, der Urlaub neigt sich dem Ende zu. Der letzte Urlaubstag beginnt mit einem Wolkenbruch. Es gießt wie aus Kübeln. Das Frühstück findet drinnen statt. Draußen vor der Tür warten nur einige wenige Katzen – und Moritzl. Der Eingang zum Restaurant ist nicht überdacht. Die Katzen stehen im Regen. Clara bringt ihnen Futter.

Am Vormittag schaut Clara nach den Katzen. Keiner da – nur Moritzl steht einsam und völlig durchnässt vor der Tür. Vorsorglich hat Clara vom Frühstücksbuffet Proviant eingepackt. Wenigstens muss der Kleine nicht hungern.

Der Wolkenbruch wird zum Unwetter. Es blitzt, donnert, tobt und wird immer heftiger. Clara wird unruhig: „Du Jonas, der arme Moritzl steht ganz allein tropfnass vor der Tür. Die anderen Katzen haben alle einen Unterschlupf gefunden. Der Kleine weiß nicht, wo er Schutz findet. Er hat doch keine Mama. Das ist sicher das erste Gewitter, das über ihn hereinbricht. …

Fortsetzung folgt