Leseprobe Cat-Sharing

Darf ich mich vorstellen? Ich bin Micky Mouse. Nein, nein, Gott bewahre! Maus bin ich keine, ganz im Gegenteil. Ich bin eine bildhübsche, schnuckelige kleine Katze mit ebenmäßig gezeichnetem Micky-Mouse-Gesicht, das glänzend schwarze Fell zieht sich über den Rücken bis zur Schwanzspitze, die Unterseite und meine Pfotchen sind schneeweiß, wie aus der Waschmittelwerbung. Ich bin anschmiegsam und schmuseweich. Alle die mich mal gestreichelt haben, kriegen nicht genug. Ich auch nicht! Aber von Fremden lass ich mich nicht anfassen. Das wär ja noch schöner! Da lauf ich blitzschnell davon, blitzgescheit bin ich übrigens auch. Und faustdick hab ich es hinter den Ohren. Mein rechtes Ohrle ist mehr weiß als schwarz, das linke ist schwarz mit einer winzigen weißen Spitze.

Katzen mag ich gar nicht. Kater erst recht nicht. Aber meine Menschen lieb ich heiß und innig.
Meine Geschichte beginnt mit einem traumatischen Ereignis. Caro, mein Frauchen, zog um. Ohne mich! Brachte mich zu einer Familie mit drei Katzen! Schrecklich! Miauuu! Ich sehnte mich nach meinem Fraule und unserem trauten Heim. Mauu! Mauu! All mein Jammern und Wehklagen half nichts. Ich musste mich in mein Schicksal fügen.

                                                                         * * *

Doch eines Tages tauchte mein Fraule wieder auf und nahm mich mit. Ich saß im Transportkorb und los ging die Fahrt. Beim Autofahren wird mir immer schlecht und am Ende lande ich dann beim Tierarzt. Igitt! Die Fahrt war länger als je zuvor. Wohin nur sollte es diesmal gehen?
Endlich hielt das Auto, Fraule brachte mich in ein unbekanntes Haus und ließ mich aus der Kiste.
Neugierig schaute ich mich um. Ich erkannte unsere Möbel, all meine geliebten Kissen und die himmlisch weiche Decke, Spielzeug lag da und der Fressnapf war gut gefüllt.

Mitten im Haus gab es eine Holztreppe zum Rauf und Runterflitzen, das gefiel mir! Sogleich erkundete ich unser neues Heim. Es bestand aus drei Stockwerken. Überall gab es schöne Plätze zum Schlafen und Kuscheln. Da fühlte ich mich gleich zu Hause.
Und das Schönste war die Terrassentür. Die führte in einen wunderschönen Garten, mit Bäumen zum Kraxeln und Büschen zum Verstecken. Als mein Fraule die Tür öffnete, kam ich aus dem Staunen nicht mehr raus. Gleich gegenüber der Terrasse stand eine riesige Thuje. Langsam, vorsichtig, Pfote für Pfote näherte ich mich dem Baum. Ich hörte ganz viele Vögel piepsen, das klang verlockend. Da werd ich mich bald auf die Lauer legen.
Aber jetzt muss ich erst mal das nähere Umfeld inspizieren. Wer weiß, vielleicht treibt sich da ein Kater rum. Mit den Burschen will ich nichts zu tun haben. Vor denen bin ich auf der Hut. Und wenn einer kommt, dann lauf ich schnell davon.
Ich spitzte die Ohren, außer den Piepmätzen war nichts zu hören. Wachsam schlich ich um die Thuje, immer sprungbereit, falls Gefahr drohte. Hinter dem Baum war ein großer Komposthaufen. Ich hob mein Näschen und schnupperte. Das roch interessant. Ich witterte Mäuse. Fein! Mit denen kann man so schön spielen. Aber das hat Zeit. Jetzt muss ich mich erst weiter umschauen.

Neben dem Baum gibt es einen Teich. Ob ich da Fischlein angeln kann? Fische sah ich keine, aber viele Molche. Na wartet, euch fang ich schon noch! Fürs erste hatte ich nun genug gesehen, hier gefällt es mir, hier will ich bleiben.
Mein Fraule saß mit einem Glas Wein auf der Terrasse, ich rieb meinen Kopf an ihren Beinen, sprang ihr auf den Schoß und schnurrte so laut ich nur konnte. Jetzt wusste sie, dass ich hier glücklich war.
Nach einem aufregenden Tag war ich hundemüde, zog mich ins Haus zurück und schlief selig in meinem Körbchen bis zum nächsten Morgen.

                                                                           * * *

Ausgeschlafen, frisch und munter nahm ich mein neues Zuhause in Besitz. Treppab, treppauf, während Frauchen noch schlief. Schließlich wartete ich an der Terrassentür auf meine Türöffnerin. Was es da draußen alles zu sehen gab! Vögel ohne Ende tummelten sich im Garten. Endlich kam Frauchen und machte mir die Tür auf.
Heute wollte ich die Welt erobern. Zuerst zur großen Thuje, da kannte ich mich schon aus. Jetzt die Krallen am dicken Stamm schärfen. Das tat gut! So, und jetzt rauf auf den Baum! Vögel zwitscherten hoch oben im Geäst. Hab keinen erwischt, dann halt nicht.
Hinter Thuje, Kompost und Teich war ein Zaun. Und dahinter das Paradies! Eine unendlich große Wiese mit vielen Büschen, Bäumen und hohem Gras. Kein Haus, kein Mensch, Natur pur! Aber heut trau ich mich noch nicht über den Zaun. Jetzt geh ich erst mal wieder rein zu meinem Fraule und ruh mich aus.

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