Energiewende 1

Energiewende: Jonas in Wut

Clara besorgt: »Jonas, so wie du aussiehst, stehst du kurz vor einem Herzinfarkt! Reg dich doch ab, ich möchte dich noch länger behalten.«

»Ich hab das ja alles vorausgesehen – kann man übrigens im Krimi nachlesen, Kapitel „Die Energiewende“, – aber wenn das jetzt tatsächlich so wahnwitzig eintritt, überkommt mich ganz bestimmt nicht Schadenfreude, sondern nur noch pure Wut. Wut über diesen Dilettantismus und die permanenten Fehleinschätzungen der Verantwortlichen in der Politik.«
»Also Jonas, du gehst zu weit!«
»Nein, gehe ich nicht!! Ich ärgere mich krank!«
»Das sehe ich, du kannst es aber eh nicht ändern. Und für mich steht jedenfalls fest, die Energiewende musste kommen.«

»Sachte, liebe Frau, natürlich wäre die Wende grundsätzlich richtig, wenn sie denn langfristig und durchgeplant angegangen würde. Stattdessen wurde holterdiepolter auf Grund eines Einzelereignisses, das weit weg von uns passiert ist und überhaupt nicht vergleichbar mit der Risikosituation hierzulande, schlicht alles, was bis dahin Konsens war zwischen Experten, Versorgungsunternehmen und politisch Verantwortlichen über den Haufen geschmissen. Unvorstellbar!«
Clara versöhnlich: »Ja das stimmt schon, aber du musst zugeben, dass Fukushima ein schrecklicher Unfall war, der die ganze Welt in Atem hielt und bis heute verheerende Folgen verursacht hat.«

»Clara, schau mal, es gibt leider immer wieder diese unvorhersehbaren Katastrophen, die einen fassungslos machen. Manche wären möglicherweise zu verhindern gewesen, wie gerade diese Explosion in Tianjin in China oder auch die Reaktorkatastrophe in Fukushima, andere brechen über die Menschheit herein, wie der Tsunami in Südost-Asien, 2004, bei dem 230000 Menschen in den Tod gerissen wurden oder der Hurrikan Katrina, 2005, als New Orleans fast vollständig zerstört wurde. Ich kann mich allerdings nicht erinnern, dass das Medieninteresse in Deutschland jemals so groß gewesen ist wie bei Fukushima und zwar mit besonderem Fokus auf die radioaktiven Gefahren und Risiken.«
»Das war ja auch berechtigt, angesichts der Langzeit-Verseuchungen und der vielen Opfer durch die Verstrahlungen.«

»Und über die anderen Opfer, durch den Tsunami? Hat man sehr wenig gehört! Es waren aber mehr als zehnmal soviel Tote wie in Fukushima durch den Reaktorunfall, nämlich etwa 20000! Und fast eine halbe Million Menschen musste in Notunterkünften untergebracht werden! Sehr ausgewogen fand ich die Berichte in TV und Presse nicht!«

»Ich denke, das ist auch ein typisch deutsches Phänomen. Angst vor unberechenbaren Gefahren, das steckt bei uns so drin. Und was die Kernkraft anbelangt, haben die Grünen jahrelang den Teufel an die Wand gemalt. Deshalb war das Interesse an der Berichterstattung gerade über Fukushima ganz besonders ausgeprägt.«
»Ganz genau so ist es! In Japan fährt man Atomkraftwerke wieder hoch, in anderen Ländern wie den USA, China, der Türkei und Großbritannien werden sogar neue gebaut und bei uns schaltet man die weltweit sichersten, funktionierenden, umweltfreundlichen, billigen Strom liefernden Atomkraftwerke mir nichts dir nichts einfach ab. Dass keinesfalls neue gebaut werden sollen, finde ich okay. Aber langfristige Investitionen ohne Not abzuschreiben ist volkswirtschaftlich Blödsinn.«

»Aber Jonas, was regst du dich auf, es war so gewollt von der Bevölkerung.«
»Ja leider, und mit einer Ethik-Kommission hat man sich ein Alibi verschafft, für den Fall, dass diese Wende schief geht, wie es sich jetzt immer deutlicher zeigt. In dieser Ethik-Kommission wurde nämlich jeglicher Sachverstand ausgeblendet.«
»Was ist falsch gelaufen?«

»Es hätte genug kompetente Fachleute an den Universitäten, auch internationale, auch in den Fachministerien gegeben, die man statt einer Ethik-Kommission in Expertengruppen hätte zusammenbringen können, um langfristige Pläne A, B oder C zu entwickeln. Natürlich hätten die Vertreter der vier großen Energieversorger in Deutschland mit an den Tisch gehört.
»Du meinst EON, RWE, ENBW und Vattenfall?«
»Ganz genau! Wie ursprünglich vorgesehen, hätte man mit der Abschaltung der Atomkraftwerke bis 2022 Zeit gehabt. Genug Zeit also, um das komplexe Thema der Austarierung der unterschiedlichen Energiequellen, samt Speichertechnologien und vor allem um ein ausgewogenes Konzept der Energieverteilung über die Länder vernünftig und im Konsens zu lösen. Die Lastverteilung über die Länder ist vielleicht sogar das zeitaufwendigste Thema, siehe Länderfinanzausgleich.«
Clara überzeugt: »Klingt vernünftig, wenn man jetzt sieht wie gestritten wird und nichts voran geht.«
»Nur so hätte man verhindern können, dass Strom jetzt bei uns doppelt so teuer ist wie in den USA, in Frankreich ist er um 40%billiger, in fast allen anderen Ländern der EU ist Strom ebenfalls billiger.«

»Hat das nicht auch andere Ursachen?«
»Auf jeden Fall weitere Wirkungen, nämlich die: Durch das Erneuerbare Energiegesetz, kurz EEG und das damit verbundene erhöhte Angebot an Fotovoltaik-Strom sinken die Strompreise an der Börse. Für die deutschen Betreiber von Kohlekraftwerken lohnt sich der Betrieb nicht mehr, allenfalls noch der einiger Braunkohlekraftwerke.«
»Das sind doch die größten Klima-Dreckschleudern!«
Jonas steht wieder kurz vor einem Wutausbruch: »Du sagst es!! Und jetzt kommt’s erst noch. Wenn im Winter keine Sonne scheint und auch der Wind nicht weht, braucht Deutschland Strom. Der muss dann importiert werden, z. B. aus Österreich. Ha, ha, da wird dann eben in anderen Ländern eine entsprechend größere Menge CO2 ausgestoßen. Sehr klimafreundlich! Statt dessen müssten bei uns klimafreundliche Gaskraftwerke gebaut werden. Die werden gerade aber ebenfalls stillgelegt, geschweige denn neue gebaut. Da geht kein Investor ran, lohnt sich nicht! Entsprechende Anreize der Bundesregierung sind nicht in Sicht! Man glaubt es nicht wie verkorkst die Situation ist!«

»Aber das müssten die großen Energieversorger in Deutschland doch hinkriegen. Offensichtlich haben sie die Energiewende verschlafen.«
»Ja das liest der Leser gern! Das Management mag auch Fehler gemacht haben. Es steht zu befürcheten, dass man auf ein Desaster zusteuert, denn diese übereilte Energiewende wird möglicherweise den großen Energieversorgern, also den bisherigen Garanten von sicherem und bezahlbarem Strom, nach und nach das Genick brechen. Es wird noch viel Ärger geben.«
»Inwiefern?«

Fortsetzung folgt in Energiewende 2